Die Bilder aus Kabul werden sich in das kollektive Gedächtnis der Welt einbrennen

Herzzerreißend sind die Bilder aus Kabul. Sie werden uns nicht loslassen. Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie sich an die Träger von Flugzeugen hängen, um dann in den Tod zu stürzen. Die letzten Tage haben uns alle erschüttert.

Uns, die wir rund um den Globus für Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie als die unerschütterlichen Grundfesten des Zusammenlebens werben und kämpfen. Die Bilder werden sich in das kollektive Gedächtnis der Welt einbrennen, so wie es die Bilder des 9. Septembers 2001 getan haben.

Für die europäischen Demokratien muss es jetzt darum gehen, auf allen nur erdenklichen Ebenen Hilfe zu organisieren und anzubieten. Jetzt ist erst der Anfang. Das Verhalten Österreichs, das von Konservativen und Grünen regiert wird, hat nicht nur mich verstört. Wer jetzt nicht bereit ist, wie die österreichische Regierung, Menschen aufzunehmen und sogar über Abschiebungen rund um Afghanistan nachdenkt, hat kein Herz. Indes: der Konsens könnte in den meisten Herzen und Köpfen in Europa nicht größer sein. Der Instinkt des niederen Populismus wird nicht gewinnen. In Deutschland ist der Ruf parteiübergreifend nach unbürokratischer Hilfe laut. Für wieviele Menschen, die mit uns Deutschen zusammengearbeitet haben, sie zu spät kommen wird, weil die Chancen verpasst wurden, wissen wir noch nicht. Es ist gut, dass die Opposition und sogar die Regierungsfraktionen im Parlament nach Aufklärung rufen. Soweit hätte es nie kommen dürfen. Solange bleibt nur das Hoffen, dass unser Militär vor Ort zusammen mit den Amerikanern weiterhelfen kann und Menschen ausfliegt.

Bis auf das Nadelöhr Flughafen kommt im Moment kaum jemand außer Landes. Die Taliban kontrollieren das Land, die Grenzen sind mehr oder weniger dicht. Mit den Nachbarländern Afghanistans ist jetzt kluge Diplomatie gefragt, damit die Grenzen für die Menschen nicht auf Dauer verschlossen bleiben, die um Leib und Leben bangen. Wenn es dann Fluchtmöglichkeiten in die Nachbarstaaten geben sollte, werden Milliarden nötig sein, damit die Menschen nicht vor Entbehrung und Hunger sterben. Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und jetzt politisch anfangen zu gestalten.

Es ist zu befürchten, dass uns noch schrecklichere Meldungen erreichen. Im Moment lässt sich nicht beurteilen, ob es wirklich eine „moderate“ Version des Steinzeit-Islamismus gibt. Es muss mehr geben als Hoffnung und Bangen. Politik, auch die internationale, kann gestalten und die Welt verändern. Das haben wir immer wieder erlebt. Nur weil die deutsche Regierung in einem unvorstellbaren historischen Ausmaß versagt, dürfen wir Bürger nicht in kollektive Depression verfallen.