Schlusswort bei Verleihung des Freiheitspreises 2024 an Vladimir Kara-Murza

Den Freiheitspreis 2024 erhielt der russische Journalist und Aktivist Vladimir Kara-Murza.
Vladimir Kara-Murza setzt sich mit großem Mut für Freiheit und Menschenrechte in seiner Heimat Russland ein.

Es gilt das gesprochene Wort.

Lieber Vladimir Kara-Murza,
meine Damen und Herren,

es fällt nicht leicht, nach dieser bewegenden Rede die passenden Schlussworte zu finden. Doch möchte ich – im Namen der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und aller Liberalen in Deutschland – unbedingt eines zum Ausdruck bringen: unsere tiefe Dankbarkeit, lieber Vladimir.

Dankbarkeit dafür, dass Sie unermüdlich und unerschrocken Unrecht auch weiterhin beim Namen nennen. Dankbarkeit dafür, dass Sie trotz aller Drohungen den Mut aufbringen, sich Putins Verbrechen entgegenzustellen. Dankbarkeit dafür, dass Sie auch uns hier inspirieren und motivieren, in unserem Einsatz für die Freiheit nicht nachzulassen.

Wie wir in der Laudatio gehört haben, hat der Kreml vieles versucht, um Ihre Stimme zu unterdrücken – Verhaftungen, Drohungen, ja selbst Mordanschläge. Doch es ist dem Kreml nicht gelungen, Sie mundtot zu machen. Im Gegenteil: Ihre Überzeugung und Ihre Vision eines freien und demokratischen Russlands sind heute stärker und klarer denn je. Das haben wir eindrücklich in Ihrer Rede gespürt, lieber Vladimir.

Ihre Freilassung ist ein bedeutender Sieg – nicht nur für Sie, sondern für alle Menschen, die sich weltweit für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Sie ist ein lebendiges Zeugnis dafür, dass man die Hoffnung niemals aufgeben darf.

Gleichzeitig erinnert uns Ihre Freilassung auch schmerzlich daran, dass es heute immer noch Tausende Andersdenkende in Russland gibt, die wegen ihres Einsatzes für die Freiheit im Gefängnis sitzen. Seit Putins barbarischem Angriffskrieg gegen die Ukraine sind mehr als 20.000 Menschen von der Polizei festgenommen worden, weil sie gegen den Krieg demonstriert haben. Tausende von ihnen wurden aus diesem Grund angeklagt, vor Gericht gestellt oder zu Gefängnisstrafen verurteilt. Andere haben ihren Einsatz gegen das Regime gar mit ihrem Leben bezahlt. Alexei Navalny ist einer von ihnen. Wie Sie wurde auch er bedroht, inhaftiert und zuletzt vom Kreml ermordet. Dasselbe Schicksal traf Ihren Wegbegleiter und engen Vertrauten Boris Nemtsov. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich Anfang 2015 in Moskau war, wo Boris Nemtsov wenige Tage vorher im Auftrag des Kremls – daran habe ich keinen Zweifel – kaltblütig erschossen wurde. Auch er war ein Gesicht der russischen Opposition. Menschen wie Sie, Alexei Navalny und Boris Nemtsov stehen für ein anderes Russland, ein Russland, das eines Tages frei sein kann.

Damit verkörpern Sie eine klare Alternative zu dem von Putin praktizierten Totalitarismus. Eine Alternative, die der Kreml aus eigenem machtpolitischen Kalkül nicht dulden kann. Die Inhaftierung und Ermordung von Demokratieaktivisten und Oppositionsführern soll nicht nur Andersdenke zum Schweigen bringen, sondern zudem der restlichen Bevölkerung in Russland Angst einflößen. Es sind gezielte Botschaften des Kremls, die den Russinnen und Russen Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung vermitteln sollen. Jeder Funke des Aufbegehrens soll so erstickt werden.

Doch dank des unermüdlichen Engagements von Persönlichkeiten wie Ihnen, lieber Vladimir, leben die Visionen, Taten und Worte auch derer weiter, die im Kampf gegen Putins brutales Regime bereits ihr Leben lassen mussten. Sie haben dafür gesorgt, dass Namen wie Nemtsov heute Straßen und Plätze in der Nähe russischer Botschaften weltweit zieren. Es sind Mahnmale, die eine deutliche Botschaft an den Kreml senden: „Eure Verbrechen haben unsere Hoffnung auf ein besseres Russland nicht erstickt.“

Ich habe gerade gesagt, dass der Kreml die Inhaftierung und Ermordung politischer Gefangener dazu nutzt, um andere, die ihnen folgen könnten, abzuschrecken und zu lähmen. Wir sollten diese Logik in ihr Gegenteil verkehren. Die Freilassung politischer Gefangener sollte uns Ansporn sein, gerade jetzt unsere Anstrengungen zu verdoppeln. Dass Sie heute hier als freier Mann unter uns sind, lieber Vladimir, ist ein großer Schlag gegen Putins Regime. Wir alle, die wir heute hier sind – angefangen von den russischen Exilkräften bis hin zu deutschen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger - sollten dies zum Anlass nehmen und gemeinsam für ein demokratisches Russland aufzustehen.

Denn es ist genau dieser Mut zum Widerstand, den Diktatoren wie Putin am meisten fürchten. Der Mut, sich nicht zu beugen. Der Mut, laut zu werden, wenn wir Unrecht sehen.

Wir müssen deshalb laut werden, meine Damen und Herren! Wir müssen laut werden gegen Putins mörderisches Regime und gegen seinen verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Für uns Liberale steht fest: Wir stehen unverbrüchlich an der Seite der Ukraine in ihrem Überlebenskampf – politisch, humanitär und militärisch. Und ebenso klar ist für uns: Langfristige Sicherheit und Stabilität auf unserem Kontinent erreichen wir am besten mit einem demokratischen Russland.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass mit dem Mut, wie Vladimir Kara-Murza und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter ihn gezeigt haben, Veränderung in Russland von innen heraus möglich ist.

Lassen Sie uns deshalb unsere Kräfte bündeln, um Vladimir und alle, die für ein anderes Russland einstehen, zu unterstützen.

Lassen Sie uns eintreten für eine Zukunft, in der die Menschen in Russland in Freiheit und Würde leben können, Seite an Seite mit ihren Nachbarn in einem friedlichen Europa.

Lassen Sie uns einsetzen für die Freilassung aller, die zu Unrecht inhaftiert wurden und ihre Stimme gegen Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen erheben.

Lassen Sie uns den Einsatz für Freiheit fortführen - im festen Glauben daran, dass das Streben nach Freiheit ist auf Dauer immer stärker als die Unterdrückung ist.

Vielen Dank!